Inhalt:
Die geläufige Hypothese, dass die weltweite Expansion des Kapitalismus in dem Moment an ihre immanente Grenze stoßen würde, wo sie sich global etabliert hat und den gesamten Erdball umfasst, muss offensichtlich korrigiert werden. Denn auch, wenn aktuelle Imperialismen an traditionellen Formen territorialer Ausweitung festhalten, sind sie doch insgesamt in ein neues Stadium eingetreten, das weniger einer extensionalen Logik des Raums, als einer intensiven Dynamik der Zeit zu gehorchen scheint. Durch Techniken der Spekulation und Verschuldung etwa, okkupiert das kapitalistische System die Zukunft seiner Subjekte. Die Zeit wird kolonisiert, indem alle erwirtschafteten ›Gewinne‹ im Zeichen eines Kredits erscheinen, dessen Begleichung ins Unbestimmte verschoben ist. Mikrotechnologien der Überwachung und »intensive Kontrollen« (Anne Sauvagnargues) dringen in diesem Zusammenhang in die Fugen des Alltagslebens ein, um die Körper abzutasten und einem »Zeitregime der beständigen Beschleunigung« (Hans-Joachim Lenger) zu unterwerfen.
Das Seminar fragt hier nach Möglichkeiten von ästhetischer Unterbrechung und künstlerischer Intervention, wobei das aktuelle Ineinanderspiel von ›Raum‹, ›Körper‹ und ›Kapital‹ ebenso thematisch wird, wie eine unlängst von Joseph Vogl vorgeschlagene »Artistik des Schwarzmalens«. Den theoretischen Bezugspunkt bilden Texte von Autor*innen, die gemeinhin dem französischen Poststrukturalismus zugerechnet werden (Manola Antonioli, Gilles Deleuze, Michel Foucault, Félix Guattari, Luce Irigaray, Anne Sauvagnargues).
Literatur:
Félix Guattari, Planetarischer Kapitalismus, Berlin: Merve 2018; Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus, Berlin: Vorwärts 1913; Joseph Vogl, Kapital und Ressentiment, München: Beck 2021
Credits:
2 Creditpoints
Bemerkung:
Ein Reader mit Texten wird zu Beginn des Seminars zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, die Ergebnisse des Seminars in einem gemeinsam produzierten Radio-Podcast zusammenzufassen.