NEWSLETTER 10/19

Mit der heutigen Eröffnung des Wintersemesters präsentieren wir ein neues Angebot und laden Sie herzlich ein, sich in unserer soeben frei geschalteten Mediathek zu tummeln.
Die audiovisuelle Dokumentations-Plattform zeigt einen beachtlichen Querschnitt unserer künstlerisch-wissenschaftlichen Aktivitäten und wird stetig weiter aufgebaut. Das eigens dafür angestellte Webcast-Team hat in den vergangenen Monaten vorhandenes Material gesichtet, bearbeitet und archiviert. Gleichzeitig hat die Produktion neuer Aufnahmen begonnen. Ob Konzert, Theater, Oper, Ringvorlesung, Podiumsdiskussionen, Porträts oder Masterclasses. Viele unserer Veranstaltungen gibt es ab jetzt auch online.

Dabei verfolgt das Projekt eine doppelte Zielrichtung:
Interessierte können sich jederzeit fundiert informieren oder ganz bequem von zu Hause aus in die Welten der HfMT eintauchen. Studierende können anhand der Aufnahmen ihre eigene Darbietung reflektieren und verbessern oder die Aufzeichnungen für Bewerbungen nutzen.

Geplant sind für die nahe Zukunft Live-Streamings auf den sozialen Netzwerken sowie verschiedene Filterfunktionen, die die schnell wachsende Mediathek benutzerfreundlich halten.

Film ab und viel Spaß beim Stöbern!

Die Möglichkeit, im Aufbaustudium musikalisch noch mehr in die Tiefe zu gehen, sich ganz und gar auf die künstlerische Entwicklung, die Herausbildung des eigenen Klangideals zu fokussieren, empfindet die Cellistin Seo Young Lee als großes Glück: „Ich bin viel reifer und selbstbewusster geworden. Vor allem das intensive Nachdenken über Musik im künstlerischen wie im philosophischen Sinne haben mich sehr voran gebracht.“
Die gebürtige Koreanerin absolviert zurzeit ihr Konzertexamen bei Prof. Sebastian Klinger und gibt am 17. Oktober ihr Abschlusskonzert mit den Symphonikern Hamburg.
Mit dem Cellokonzert von Mieczysław Weinberg hat Seo ein wenig bekanntes Werk gewählt. An der Musik des Weggefährten und Freundes von Schostakowitsch schätzt sie die kräftige und facettenreiche Sprache: „Zum einen spürt man sehr direkt die Düsternis der dramatischen Biographie des Komponisten, der den Nationalsozialismus sowie den Stalinismus durchleiden musste. Zum anderen hat er sich daraus herauslösen können und gerade in seiner späteren (goldenen) Phase nach der eigenen Inhaftierung in der Sowjetunion eine faszinierende Vielfalt an Ausdrucksformen entwickelt. Die Suche nach Freiheit und Helligkeit ist hörbar. Es sind folkloristische Elemente verarbeitet, die durch komplizierte Rhythmen durchbrochen werden. Die Musik ist zum Teil explosiv, dann wieder introvertiert, die dynamischen und musikalischen Gegensätze sind enorm.“ Für Seo ist Weinberg ein zu Unrecht vergessener Komponist, der aber in den vergangenen Jahren wieder entdeckt wurde und gerade jetzt zu seinem 100. Geburtstag wieder mehr gespielt wird.

Alljährlich im Oktober stürmen unsere Regie-Studierenden des dritten Jahrgangs die Bühne des St. Pauli Theaters und zeigen dort ihre Arbeiten.
Dor Aloni ist einer von ihnen und treibt in „Hitler baby one more time“ ein rasantes und poppiges Spiel mit seiner eigenen Vergangenheit. Die Verfremdung des zugrunde liegenden Materials lässt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion bewusst verschwimmen. Als einziger Darsteller, unterstützt durch Videos, Projektionen, Musik und Soundeffekte führt er einen Diskurs über Identitäten und Erinnerungskultur, das Böse in jedem von uns und die Möglichkeiten von Befreiung und Selbstermächtigung.
Der provokante Titel offenbart an dieser Stelle gleich mehrere Ansätze: zunächst gibt es da eine Projektion von Hitler als Baby. Sie impliziert die anfängliche Unschuld eines jeden Menschen, der aber zugleich immer auch das Potential des Bösen in sich trägt. Die Referenz an einen Britney Spears Song darin kündigt die poppige Struktur des Stücks an, und letztlich stellt sich durch die Wendung „one more time“ die Frage nach dem wiederholenden Aufarbeitungsbedarf. „Müssen wir es denn wieder und wieder bearbeiten?“ Und „Kann es denn eigentlich wieder passieren?“
Bei all dem findet Dor Aloni seine humoristische Herangehensweise legitim und hilfreich. Nicht, dass er die Dramatik der Stoffs im Geringsten aufweichen will. „Aber es kann helfen, die Opferrolle zu überwinden, und es ist ein Stilmittel zur Auflockerung der Rollenzuschiebungen.“

Diese und vier weitere Arbeiten zeigen die Kiezstürmer am 26. und 27. Oktober im St. Pauli Theater

Glenn Großmann studiert Kontrabass im Masterstudiengang bei Prof. Michael Rieber und spielt mit bei den großen Symphoniekonzerten des Hochschulorchesters am 19. und 20. Oktober im Miralles-Saal.

Er empfiehlt die Welcome Music Session am 10. Oktober in der Zinnschmelze:

Ich studiere seit fünf Jahren Kontrabass an der HfMT, nach meiner Akademie-Zeit im NDR Elbphilharmonieorchester beginne ich nun mein Master-Studium. Nebenbei komponiere ich und spiele E-Bass, Posaune und andere Instrumente.
Spricht man keine gemeinsame Sprache, wählt man intuitiv eine einfachere, universellere Sprache wie Mimik, Gestik, oder eben Musik und Tanz. Man spürt, was uns alle zu Menschen macht und im Kern bewegt. Dieses Erlebnis ist nicht neu, doch es verdient auch heute immer wieder eine gewisse Pflege. Nicht nur deswegen möchte ich allen Leser*innen die Welcome Music Session in der Zinnschmelze ans Herz legen, sondern auch einfach weil man hier den Spaß an der Musik so pur miterleben kann, wie es selten vorkommt. Menschen aus aller Welt bringen ihre Musik und Instrumente mit, um Geschichten zu erzählen und im Dialog miteinander neu zu erfinden. Und plötzlich ist man zusammen auf einer Reise, die sich vielleicht nach Heimat anfühlt. In jedem Fall einen Besuch wert!