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vom Do., 20.12.2018

Schöne neue Welt der Kirchenmusik

Annedore Hacker-Jakobi betont die Vielfalt

Bereits seit dem Wintersemester 2017/18 ist Annedore Hacker-Jakobi Professorin für Chorleitung an der HfMT. Nach ihrer Schulzeit am Bodensee studierte sie Schulmusik und Chorleitung an der Musikhochschule Karlsruhe, Germanistik an der Universität Karlsruhe sowie Chor- und Orchesterleitung an der Musikhochschule Würzburg. Schon während des Studiums leitete sie in Karlsruhe und Würzburg diverse Chöre und Ensembles und brachte ihre Erfahrungen und ihr Können seitdem in unzähligen Musik- und Theaterproduktionen ein.

Auf ihre noch junge Professur an der HfMT angesprochen, ist ihr vorab eine Differenzierung wichtig. „Ich unterrichte Chorleitung als Hauptfach für Kirchenmusiker. Mein Hauptberuf aber ist jener der Dirigentin. Ich selbst bin keine Kirchenmusikerin, obschon ich mich natürlich schon immer, und jetzt noch viel mehr, damit auseinandersetze. Die Text- und Quellenanalyse ist ebenso wichtig wie die musikalische Formanalyse. Da muss ich mit gutem Beispiel vorangehen und mich theologisch auseinandersetzen. Ich habe keine Scheu, manch theologische Fragestellung an die Kirchenmusikstudierenden weiterzugeben.“ Die Alte Musik fällt ebenso in ihr Aufgabengebiet, sie gehört aber nicht zur Fachgruppe Alte Musik und möchte sich auch keinesfalls als eine absolute Expertin derselben bezeichnen. „Da gibt es ganz andere Kaliber an unserer Hochschule. Solche Kollegen an meiner Seite zu haben, erlebe ich als unheimliche Bereicherung. Mein Auftrag ist das Vermitteln des Faches Chorleitung. Das Feld ist enorm vielseitig und muss inhaltlich breit aufgestellt sein, da die Studierenden später als fertige Kantoren ebenfalls vielseitig sein müssen.“

Die Aufgaben und Schwerpunkte im Bereich Chorleitung sind aus der Sicht von Annedore Hacker-Jakobi sehr vielfältig. „Hierzu zählt zunächst eine Bewegungslehre mit stark kommunikativem Gehalt auf nonverbaler Ebene: Wie bewege ich mich und was löse ich bei meinem Gegenüber aus? Es folgt das Übertragen auf konkrete Werke – von der Analyse zur Subtextinterpretation, über die emotionale Aussage hin zur entsprechenden Mimik und Gestik. Ein weiterer Unterrichtsbereich ist das Erlernen von Probenmethodik aller Art mit Schwerpunkt auf einer gewissen Nahbarkeit und Emotionalität.“
Wie sieht es mit den unmittelbaren musikalischen Faktoren wie Klang und Stimmbildung aus?
„Nicht nur der ‚richtige‘ Ton interessiert mich, sondern auch der schöne – oder bewusst unschöne – Klang mit einer Aussage; und was die Stimmbildung beziehungsweise der Umgang mit dem Instrument Stimme betrifft, so ist dies gerade in Bezug auf die Laienchorleitung natürlich ein unabdingbares Feld, ebenso wie die Entwicklung der Grundfähigkeiten wie Hören und vom Blatt singen.“
Stichwort Repertoire und Programmgestaltung. Auch hier hat Annedore Hacker-Jakobi eine eindeutige Position. „Spezialisierung ist möglich, und sicherlich darf und sollte jeder in seinem Beruf das machen, was ihm oder ihr am Nächsten liegt. Wohlfühlen ist allererste Priorität, nur dann kann man für eine Sache brennen und andere anstecken. Dennoch rate ich dazu, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen. Man sollte die Moderne -- und zwar sowohl den E- als auch den U-Bereich -- aus meiner Sicht nicht außer Acht lassen. Besser ist es, die Möglichkeiten einer Verbindung beider Seiten zu erkennen. Zum einen liegt die Chance im Musizieren selbst. Auch ein Bach und ein Palestrina dürfen flexibel musiziert werden. Die Musik darf und soll leben. Für Chöre, denen eine gewisse Freiheit im Musizieren etwas schwer fällt, ist ein Ausflug in den Jazz oder gar Pop vielleicht sogar die Lösung. Auch hier gibt es ja erstaunlich viel Musik mit geistlichem Hintergrund.“ Andererseits sieht sie eine weitere wichtige Aufgabe im Gewinnen von neuen Mitgliedern. Viele Kantorinnen haben es schließlich mit einer Überalterung der Kirchenchöre zu tun. „Wie gewinne ich junge Menschen? Vielleicht über eine neue Stilistik? Über diesen Weg kann ich vielleicht Menschen, die bisher noch nicht so viel von Bach, Schütz, Monteverdi oder auch von viel jüngeren Zeitgenossen der ernsten Kirchenmusik gehört haben, für eine neue Welt der Kirchenmusik begeistern.“

TEXT DIETER HELLFEUER
FOTO CHRISTINA KÖRTE

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