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vom Mi., 21.08.2019

Interpretation trifft Improvisation

HfMT-Doktorandin Aigrerim Seilova ist Hindemith-Preisträgerin 2019
Die Komponistin Aigerim Seilova erhält den Hindemith-Preis 2019 Image: Christina Körte

„Ihre Kompositionen bestechen durch eine hohe Professionalität im kompositorischen Handwerk und durch eine originelle Klangsprache, die auf faszinierende Weise eruptive Spannung und ruhiges Fließen verbinden.“ Christian Kuhnt, Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) und Vorsitzender der Jury des Hindemith-Preises, ist überzeugt, dass die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung in würdige Hände gefallen ist. „Aigerim Seilova hat sich erfolgreich in unterschiedlichen Stilen ausprobiert. Dabei hat sie eine eigene Handschrift entwickelt, die neue Wege beschreitet, ohne ihre musikalischen Wurzeln zu verleugnen.“

Wenn Träume wahr werden

Die hoch gelobte Künstlerin sieht sich durch die Entscheidung der Jury in ihrer Arbeit bestätigt: „Der Preis bedeutet für mich ein Stück Freiheit und einen Schritt in Richtung meines Traumes, von der Musik leben zu können.“ Die Auszeichnung wurde ihr am 26. August im Rahmen eines Preisträgerkonzertes des SHMF verliehen. Auf dem Programm stand unter anderem ihre Komposition Baqsi („Schamane“) für Streichquartett. Aigerim Seilova wurde 1987 in der kasachischen Hauptstadt Astana geboren. Sie begann ihre musikalische Ausbildung im Alter von fünf Jahren mit klassischem Klavierunterricht. Mit sieben Jahren komponierte sie eine Kinderoper, die alsbald zur Aufführung gebracht wurde. Nach Abschluss ihres Klavierstudiums an nationalen und internationalen Musikhochschulen studierte sie Komposition am Moskauer Konservatorium bei Leonid Bobylev und Yuri Kasparov. Hier lernte sie 2008 als Teilnehmerin einer Masterclass den Präsidenten der HfMT kennen. Elmar Lampson war von ihrer Arbeit und ihrem Talent derart angetan, dass er ihr nahelegte, ihr Studium in Hamburg fortzusetzen.
Vier Jahre später war es dann so weit: Aigerim bewarb sich erfolgreich für ein einjähriges Austauschprogramm in Hamburg und begann anschließend ein Mas¬ter¬stu-di¬um in Multimedialer Komposition bei Georg Hajdu. Parallel dazu führte sie als Nebenfach ihr Kompositionsstudium bei Elmar Lampson fort. „Was mir an dem Studium besonders gut gefallen hat, ist die von gegenseitiger Unterstützung geprägte Atmosphäre an der HfMT, egal ob es sich um die Professoren, ältere oder jüngere Kommilitonen handelt. Man begegnet sich auf Augenhöhe und das kann sehr bereichernd sein.“
Derzeit absolviert Aigerim den Promotionsstudiengang zum Dr. sc. mus. bei ihren Professoren Georg Hajdu, Nina Noeske und Elmar Lampson. 2021 will sie auch diesen Karriereschritt abschließen. Neben ihrer Dissertation arbeitet sie mit dem Librettisten und HfMT-Absolventen Jari Niesner an der Oper Roderick in Bed, die als Abschlussarbeit zur Aufführung kommen soll.
Wandern zwischen östlichen und westlichen Kompositionsschulen
Zu ihren musikalischen Einflüssen bekennt die Musikerin, die mit Ehemann und Kind in Stellingen lebt: „Ich habe in den widersprüchlichen Realitäten des 21. Jahrhunderts gelebt und wurde sowohl von den russischen als auch den deutschen Kompositionsschulen beeinflusst. Ebenfalls habe ich mir meine Verbindungen zum Reichtum, der Einzigartigkeit und Authentizität der kasachischen Kultur, besonders der Musik, bewahrt. Ich erwarte, dass sich all dies in meiner Musik widerspiegelt. Sehr hilfreich war in dieser Hinsicht auch Georg Hajdu, der mich dazu ermuntert hat, neue technische Mittel wie etwa die Spektralanalyse und Resynthese in meine Musik einfließen zu lassen.“ Aufgeführt wurden ihre Werke unter anderem bei den Festivals Spring in the Negev in Deutschland und Israel, next_generation 6.0 in Karlsruhe, Blurred Edges in Hamburg, Nauryz XXI in Kasachstan und beim Chelsea Music Festival in den USA. 2016 erhielt sie ein Stipendium im Fach Komposition am Tanglewood Music Center des Boston Symphony Orchestra.

Bekennender Fan des Hamburger Schmuddelwetters

„Ich versuche, den Musikern in meinen Stücken innerhalb bestimmter Grenzen relativ viele Freiheiten zu lassen. Es ist eine Symbiose aus Interpretation und Improvisation. Von daher werden diese Stücke nie gleich klingen.“ Durch ihre Kenntnisse im digitalen Bereich arbeitet Aigerim seit einem Jahr im Team der IT-Abteilung der HfMT mit und wird auch durch ihre zurückhaltende und freundliche Art im Haus sehr geschätzt. An Hamburg liebt die begeisterte Bergwanderin ausgerechnet das Wetter: „In meiner Heimat Kasachstan haben wir im Jahr Temperaturunterschiede von über 80 Grad. Von daher macht mir das viel kritisierte Hamburger Schmuddelwetter nichts aus. Die Natur ist bei jeder Witterung schön und für mich eine wichtige Inspirationsquelle.“
TEXT DIETER HELLFEUER
FOTO: AIGERIM SEILOVA CHRISTINA KÖRTE

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