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vom Di., 29.05.2018

Peter Ruzicka im Doppelpack

Uraufführung der Oper Benjamin an der Staatsoper, Orchesterwerk Elegie im Forum

Er ist Professor am Institut für Kultur- und Medienmanagement, Ehrendoktor der Hochschule, Intendant der Salzburger Osterfestspiele – und weltweit gefragter Komponist. Nun ist Peter Ruzickas neueste Oper Benjamin als Auftragswerk der Hamburgischen Staatsoper an der Dammtorstraße zu erleben. Am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg steht der Komponist selbst, Regie führt Yona Kim, Regiedozentin der HfMT, als Dramaturgin wirkt Angela Beuerle, Lehrende der Theaterakademie, mit. Flankierend zur Uraufführung spielt das Symphonieorchester der Hochschule am 11. Juni im Forum der HfMT Peter Ruzickas Orchesterwerk Elegie. Es dirigiert Ulrich Windfuhr.

Walter Benjamin war deutscher Philosoph und Kulturwissenschaftler. Sein Lebensweg als Jude und Marxist durch das 20. Jahrhundert war unstet und irrend. Die Figuren, die in dieser Oper Benjamins letzten Lebensweg mitgehen, stecken seinen Wirkungsbereich ab. Hannah Arendt sprach von der „Banalität des Bösen“, Benjamins Schachpartner Bertolt Brecht polemisierte gegen seinen „jüdischen Faschismus“, der Kabbala-Forscher Gershom Scholem wollte den Freund nach Israel holen, mit der lettischen Schauspielerin Asja Lacis phantasierte Benjamin über proletarisches Kindertheater. Nicht die Weltrevolution, sondern die „schwache messianische Kraft“ wies Benjamin den Weg in eine gerechte Gesellschaft. Auf der Flucht in die USA nahm sich Benjamin 1940 in der spanischen Grenzstadt Port-Bou das Leben.

Und über diesen Walter Benjamin eine Oper? „Ein Leben teilt sich nur gegenwärtig, nur direkt mit, und der Rest sind Mutmaßungen und Konstruktionen, entstanden aus unserer Gier nach ‚Geschichten’“, so die Librettistin und Regisseurin Yona Kim zu ihren Überlegungen, die am Anfang des Librettos zu dieser

Oper standen. „Denn“, Yona Kim weiter, „es geht keineswegs darum, die Biografie von Walter Benjamin nachzuerzählen, es ist vielmehr der Versuch eines Musiktheaters, das in seiner Dramaturgie die magische Gangart seines radikal grenzgängerischen Denkens aufnehmen will, das kein abgeschlossenes Denkgebäude, kein Zuhause sucht, sondern das rastlose Reisen selbst ist.“

Während die innere Struktur dieses Opernlibrettos in den Bewegungen des Benjamin’schen Denkens verankert ist, bekommt es seinen äußeren Rahmen durch den Bezug auf konkrete Personen und Ereignisse, die für Benjamins Leben entscheidend waren. Neben Walter Benjamin – hier Walter B. – treten Dora K. (Kellner), Gershom S. (Sholem), Bertolt B. (Brecht), Asja L. (Lacis) und Hannah A. (Arendt). Wie die Titelfigur selbst oszillieren sie zwischen der Erinnerung an ihr reales Vorbild und ihrer Realität als Opernfigur mit bestimmten Funktionen und Zuschreibungen in Bezug auf die Handlung. Eine deutlich umrissene Erzählsituation – das Ende von Benjamins Leben – bildet den Kern der Oper: „Der Ausgangspunkt für das Libretto“, berichtet Yona Kim, „war ein szenischer Gedanke, der gleich eine szenische Fragestellung war: Was geht in Walter Benjamin vor, wenn er auf der Flucht vor den Nationalsozialisten auf einer Lichtung in den Pyrenäen jene Septembernacht allein verbringt?“

Die Musik, die Peter Ruzicka zu diesem Text komponiert, greift in diese Anlage des Erzählens hinein und führt sie mit musikalischen Mitteln fort: „Der Oper Benjamin ging ein reines Orchesterwerk mit dem Titel Flucht voraus. Dort habe ich versucht, den spezifischen ‚Ton’ zu beschreiben, der für die spätere Opernpartitur bestimmend sein sollte. Benjamins rastloses Reisen ist hier selbst Klang geworden. Man mag der Partitur etwas von der Diskontinuität seines Denkens abspüren und auch von dem von Depression und Vereinsamung heimgesuchten Walter Benjamin erfahren. Die musikalische Gestik erscheint durchweg als eine ‚Reise ins Innere’“, so Peter Ruzicka. Die Rastlosigkeit des musikalischen Gestus, die Verschiedenartigkeit der im Klang vermittelten Bilder bekommt ihren Rahmen in einer klaren Struktur musiktheatralen Erzählens: Ein Vorspiel leitet das Werk ein und verweist klanglich-motivisch auf das Kommende, das sich in den folgenden sieben „Stationen“ samt vier orchestralen Zwischenspielen entwickeln wird. Durch ihre gestisch-atmosphärische Kraft, welche diese Musik aus einem Spektrum vom Verstummen zur größten Expressivität, von höchster, perkussiv-rhythmischer Bewegtheit zum Stillstand, vom ausgestelltesten, akrobatischen Kunstgesang zum Sprechen schöpft, entfaltet sich klanglich ein Geschehen, das die epochalen Dimensionen des Lebens und Denkens dieser Figuren aufreißt.

Peter Ruzicka

Benjamin – Uraufführung

Sonntag 3. Juni 2018 18:00, weitere Vorstellungen am 6., 10., 13. und 16. Juni jeweils19:30

Staatsoper Hamburg

Musikalische Leitung: Peter Ruzicka

Inszenierung: Yona Kim

Bühne: Heike Scheele

Kostüme: Falk Bauer

Licht: Reinhard Traub

Dramaturgie: Angela Beuerle

Peter Ruzicka

Elegie – im Orchesterkonzert

Symphonieorchester der HfMT

MONTAG 11.6.2018 19:30

HFMT, FORUM

Peter Ruzicka: Elegie

Franz Liszt: Klavierkonzert Nr. 2 in A-Dur

Antonin Dvořák: Symphonie Nr. 7 in d-Moll op. 70

Solistin: Eun-A Kim, Konzertexamensprüfung (Klasse Prof. Anna Vinnitskaya)

Leitung: Ulrich Windfuhr

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