Der Bunker
Macht aus Beton
Die Befehlsstelle des Reichsverteidigungskommissars Kaufmann
Emma Budge verstarb im Februar 1937, nachdem sie ihr Testament mehrfach an die sich verändernde politische Lage angepasst hatte. Nach ihrem Tod wurde ihr Anwesen – entgegen ihrem ursprünglichen Willen – weit unter Wert für 305.000 Reichsmark an die Stadt Hamburg verkauft. Damit begann das unrühmlichste Kapitel in der Geschichte des Grundstücks des Ehepaares Budge.

Die Übernahme der Budge-Villa ist eng mit Karl Kaufmann, einer zentralen Figur des nationalsozialistischen Herrschaftssystems in Hamburg, verknüpft. Sein politisches Wirken war von rücksichtsloser Machtausübung, Verfolgung, wirtschaftlicher Bereicherung und direkter Beteiligung an Verbrechen des NS-Regimes geprägt.
Ab 1936 vereinte Kaufmann nach und nach zahlreiche Machtpositionen in seiner Person: Er war NSDAP-Gauleiter, Reichsstatthalter, Führer der Landesregierung, Chef der Staatsverwaltung und ab 1942 Reichskommissar für die Seeschifffahrt. Er nutzte diese Amtsfülle rücksichtslos aus.
Am 11. Dezember 1937, also schon neun Monate nach dem Tode von Emma Budge später ging das Anwesen samt Grundstück und Nebengebäuden offiziell in den Besitz der Stadt Hamburg über. Der Vorgang war nur durch trickreiches Agieren mehrere Personen und Behörden möglich und stellt ein weiteres Beispiel für die systematische Enteignung jüdischen Eigentums durch das NS-Regime dar.
Nach der Übernahme wurde die Budge-Villa als repräsentativer Hauptsitz der Reichsstatthalterei ausgebaut.

Im November 1939 erteilte Kaufmann den Befehl zum Bau einer separaten „verbunkerten Befehlsstelle“ im Garten der Reichsstatthalterei. Die Fertigstellung des Bunkers erfolgte im Juni 1940. Das Bauwerk liegt etwa 4,20 Meter unter der Erdoberfläche, sichtbar war zunächst nur die ca. ein Meter hohe Bunkerdecke als kleiner Hügel. Da befürchtet wurde, dass diese Decke den Bombenangriffen nicht standhalten würde, wurde 1942 eine zusätzliche Betonplatte – die sogenannte Zerschellschicht – mit einer Dicke von 2,45 Metern aufgebracht. Die heute unübersehbare Erhebung an der Rückseite der Hochschule zeugt bis heute von dieser dunklen Epoche der deutschen Geschichte.

Nach 1945 wurde der Bunker von der Malerfirma „Herb. F. Trost“ als Lager und Büro genutzt. Allerdings konnten die Recherchen des Vereins „Unter-Hamburg.ev“ keine ausreichenden Belege für die Existenz der Firma im Handelsregister oder im Staatsarchiv erbringen. Ab 1970 diente der Bunker als Lager- und Abstellraum der Hochschule, bis die Nutzung aufgrund der hohen Feuchtigkeit eingestellt wurde.
Am 3. Mai 1945 übergaben Reichsstatthalter Karl Kaufmann und Generalmajor Alwin Wolz Hamburg kampflos an die britischen Streitkräfte. In der Nachkriegszeit entwickelte sich daraus die Legende vom „guten Nazi“, die Kaufmann in einem milderen Licht erscheinen ließ. Nach der Übergabe wurde er von den Briten kurzzeitig verhaftet. Trotz seiner zentralen Rolle im nationalsozialistischen Herrschaftssystem und zahlreicher dokumentierter Verbrechen wurde er nie vor Gericht gestellt. Kaufmann starb 1969 als wohlhabender Bürger in seiner Heimatstadt. Auch dies ist Teil des dunklen Kapitels der NS-Zeit.
Im Dokumentarfilm „Macht aus Beton. Die Befehlsstelle des Reichsverteidigungskommissars Kaufmann“ von Frank Böhme und Jack Sewell erläutert Ronald Rossig vom Verein Unter Hamburg e.V. die Funktionsweise und Bedeutung des Bunkers. Weiterführende Informationen sind auf der Website des Vereins unter www.unter-hamburg.de zu finden.