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vom Do., 26.04.2018

„Raum für Spinnereien“

Gordon Kampe schildert seine ersten Erfahrungen als Professor für Komposition an der HfMT. Am 13. Mai stellt sich der Querdenker mit einem Antrittskonzert im Forum vor.

Noch bin ich der »Neue«, der froh ist, die Räume der verwinkelten Hamburger Hochschule weitgehend unverletzt zu finden. Alles, was es bis jetzt im Bereich von Komposition, Musiktheorie und verwandten Fächern gibt – das habe ich folglich nicht erfunden und es macht Freude, einerseits seinen Platz im Gefüge zu suchen und andererseits herauszufinden, wo ich mich mit meinem Hintergrund und meinen Erfahrungen »neu und anders«, wie es mein eigener Lehrer Hespos immer gern ausdrückt, einbringen kann. Überhaupt: Von ihm würde ich mir gerne etwas abschauen, unterrichtete er mich doch einst stundenlang in der luftigen Höhe eines Riesenrads oder bei Wind und Wetter am Strand spazierend. Wenn gerade kein Riesenrad zur Verfügung steht, muss es aber als Aufforderung für den Hauptfach-Unterricht im Raum „107blau“ mental stets anwesend sein – denn darum geht es ja: Bewegung, Übersicht und Weite.

Und um im vielleicht schiefen Bild zu bleiben: Ich besitze kein Riesenrad, ich sitze nur für eine gewisse Zeit mit in der Gondel und dann schauen wir zusammen herunter, herauf, nach links und rechts und überall hin. Und dann schnell raus aus der Gondel. Gelegentlich schnappte sich Hespos eine Musikerin, einen Musiker, die oder der so unvorsichtig war, an unserem Seminarraum vorbeizulaufen: „Zeig uns jetzt, wie Trompete geht!“ sprach’s und plötzlich hatten wir ein Kurz-Konzert im Treppenhaus der Hochschule. Ich vermute, dass ich etwas weniger überrumpeln werde – aber gemeinsam Gelegenheiten suchen, wo man sie nicht vermutet, das wünsche ich mir.

Angeblich, so hörte ich, sei das Wetter in Hamburg gelegentlich etwas grau. Die Studierenden, die ich im Hauptfach unterrichten darf, sind allerdings das genaue Gegenteil: Das Geschlechterverhältnis ist derzeit bei genau 50 Prozent und es sind immerhin drei Kontinente vertreten. Interessanter als derlei Statistik ist aber die riesige Bandbreite der Interessen. Von Performances mit zufällig am Wegesrand gefundenen Einhörnern, über zarteste Eintonstücke, liturgischen Musiken, bis hin zu Orchesterstücken und Ereignissen, für die es noch kein Genre-Name gibt, ist alles vertreten.

Ganz praktisch: Ein großer Vorteil für ein grundständiges Studium in Hamburg, ist die Möglichkeit, in den ersten Semestern noch unentschieden sein zu dürfen: Ob es eher in Richtung Musiktheorie gehen soll oder in Richtung Komposition – das muss sich keinesfalls widersprechen. Auch und gerade in einer dritten Studienphase, geht es dann erneut um ein Changieren zwischen den Fächern und Interessenlagen: Der „Dr. scientiae musicae“ ermöglicht künstlerische Forschung und wissenschaftliche Reflexion. Ganz praktischer Studienalltag ist zudem unser Kolloquium, in dem wir – neben Komponistinnen und Musikern – auch Menschen aus dem Musikleben einladen, die nicht in erster Linie Details über das schlechte Ansprechen des 17ten Obertons auf einem skordierten Baryton erzählen, was zweifellos auch wichtig ist. Berichte aus der Operndramaturgie oder über die Herausforderungen und Möglichkeiten der freien Szene, Informationen über gegenwärtiges Verlagswesen und über Funktionsweisen der GEMA, gehören ebenso zur Lebenswirklichkeit angehender Komponisten. Ganz und gar Unpraktisches habe ich allerdings im Wintersemester vor: Ein Utopie-Seminar wird versuchen – zunächst probeweise – die Schwerkraft abzuschaffen. Manchmal habe ich den Eindruck, als würde „Neue Musik“ bereits im Studium als ein Stil verstanden, der bestimmte Merkmale (etwa in der Dauer etc. pp.) einfordere. Ich erzähle, bemerke ich die Zunahme von Gravitation, dann gerne von meinem Lieblingstraum. Ich träume nämlich von einem Opernhaus. Eines nämlich, das man auf Flachdächer installieren oder in leerstehende Gebäude integrieren kann. Es gibt ausschließlich mobile Logen, die frei im Raum schweben. Zudem wird so viel Energie erzeugt, dass drumherum alles glitzert und blinkt. Das Studium muss der Raum für derlei Spinnereien sein, denn hier muss noch nicht alles gelingen – kann aber.

Sonntag, 13. Mai

Forum der HfMT

„Anfangen“

Prof. Gordon Kampe präsentiert in seinem Antrittskonzert ein von ihm zusammengestelltes Programm aus Vorträgen und Musik.

Es spielen das „Ensemble S201“ und Hui-Ping Lan (Klavier).

Beginn 20 Uhr, der Eintritt ist frei

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