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The Euclidean Groove - ein Crashkurs durch die Welt des Rhythmus

Studienfach
Analyse, Musiktheorie
Lehrende
Prof. Sebastian Sprenger
Termin
Donnerstag, 10.30 – 12.00 Beginn: 10. 10. 2024
Raum
BP 201
Dauer
1.5 Semesterwochenstunden
Beschreibung

Bekanntlich interpretierte Gottfried Wilhelm Leibniz – in einem Brief aus dem Jahre 1712 - Musik als „eine verborgene arithmetische Übung des Geistes, der nicht weiß, daß er zählt“. Der Philosoph, der laut jüngerer Forschung (s. Literaturverzeichnis) kein Butterkeks war, bezog sich hierbei auf die den musikalischen Intervallen zu Grunde liegenden Zahlenverhältnisse und konstatierte zugleich: „Wir zählen in der Musik nur bis Fünf“. Doch wie weit sollten Musiker:innen auf dem Gebiet des Rhythmus bewusst zählen können?
Hierzu zwei Extreme: In seiner Typologie asymmetrischer Rhythmen versteht der Musikethnologe Simha Arom alle ungleichmäßigen, gleichsam „hinkenden“ rhythmischen Gebilde als zusammengesetzt aus 2er- und 3er-Gruppen. Auf der anderen Seite nimmt der armenische Jazz-Pianist Tigran Hamasyan für sich in Anspruch, mit „Entertain me“ ein Werk im 256/16-Takt komponiert zu haben; wobei die Frage nach den korrekten Binnenbetonungen dieser Taktart je nach theoretischer Grundlage gewiss unterschiedlich beantwortet werden kann.
In diesem Seminar sollen faszinierende rhythmische Erscheinungen aus der Musik verschiedenster Zeiten, Weltgegenden und Stilistiken analysiert, miteinander verglichen und praktisch erfahren werden. Hierbei gibt es immer wieder erstaunliche Parallelen – etwa zwischen der Hemiolentechnik bei Brahms sowie in der Trommelmusik bestimmter afrokubanischer Kulte – zu entdecken, die nicht in allen Fällen durch „kulturelle Aneignung“ zu erklären sind, sondern eher auf der spezifischen Teilbarkeit bestimmter Zahlen zu beruhen scheinen.
Zu guter Letzt: Auch wenn Zahlen in diesem Seminar eine nicht unwesentliche Rolle spielen, reichen zum Verständnis die in Grundschule und Unterstufe erworbenen mathematischen Kenntnisse völlig aus. Der Dozent gesteht freimütig seine großen Schwierigkeiten im Umgang mit allem, was sich nicht an den eigenen zehn Fingern abzählen lässt. Aber laut Leibniz sollen auf musikalischem Gebiet ja sogar die Finger einer einzelnen Hand ausreichen - wie Dave Brubeck erfolgreich bewies.

Literatur

Apel, Willi: Die Notation der polyphonen Musik 900 – 1600. Wiesbaden 1989

Arom, Simha: African Polyphony and Polyrhythm. Cambridge University Press 1991

Ders.: L'aksak: Principes et typologie. Cahiers de musiques traditionnelles, Vol. 17 (2004), p. 11 - 48

Butler, Mark J.: Unlocking the Groove. Rhythm, Meter, and Musical Design in Electronic Dance Music. Indiana University Press 2006

Clayton, Martin: Time in Indian Music. Rhythm, Metre, and Form in North Indian Rāg Performance. Oxford University Press 2000

Enzensberger, Hans Magnus: Der Zahlenteufel. Ein Kopfkissenbuch für alle, die Angst vor der Mathematik haben. München 1997

Hartenberger, Russell/McClelland, Ryan: The Cambridge Companion to Rhythm. Cambridge University Press 2020

Krebs, Harald: Fantasy Pieces. Metrical Dissonance in the Music of Robert Schumann. Oxford University Press 1999

Osborn, Brad: Kid Algebra. Radiohead’s Euclidean and Maximally Even Rhythms. Perspectives of New Music 52.1 (2014), p. 81 - 105
http://dx.doi.org/10.7757/persnewmusi.52.1.0081

Schmidt-Salomon, Michael & Salomon, Lea: Leibniz war kein Butterkeks. Den großen und kleinen Fragen der Philosophie auf der Spur. Zürich/München 2011

Schumann, Scott C.: Asymmetrical Meter, Ostinati, and Cycles in the Music of Tigran Hamasyan. Music Theory Online 2021
https://mtosmt.org/issues/mto.21.27.2/mto.21.27.2.schumann.html

Taylor, Stephen Andrew: Hemiola, Maximal Evenness, and Metric Ambiguity in Late Ligeti, Contemporary Music Review, 31:2-3 (2012), p. 203-220

Toussaint, Godfried T.: The Geometry of Musical Rhythm. What Makes a „Good“ Rhythm Good? London/New York 2020

Credits
3 Creditpoints
Bemerkung

Lehrangebot für BA- und MA-Studierende aller Fachrichtungen.
Anmeldung bitte mit Angabe des Studiengangs unter sebastian.sprenger[at]hfmt-hamburg.de bis 8. 10. 2023.
Leistungsnachweis: Teilnahme an 85% der Lehrveranstaltungen; Referat oder schriftliche Hausarbeit.

Module
Musiktheoretisches Modul 1 Instrumentalisten Master, Musiktheoretisches Modul 2 Kirchenmusik A (Master), Wahlmodul freie Wahl (alle Studiengänge)